Montag, 1. März 2021

Menschen, die auf Nussmilch starren



 Irgendwie war es traurig. Natascha Jung starrte das Glas an, das auf ihrem Schreibtisch stand. Peltzer war so bemüht, ihr einen Ersatzstoff für Tiermilch nahezubringen und hatte einfach nicht aufgegeben. Und sie musste zugeben, endlich hatte er mal etwas gefunden, das ihr zusagte. Doch natürlich musste es da einen Pferdefuß geben. Und was für einen.

Dieser Milchersatz wurde aus Haselnüssen gemacht und im Gegensatz zu anderen hatte Natascha den Eindruck, dass er sogar nach Haselnüssen schmeckte. Aber der Preis! Sie schüttelte den Kopf. Es musste ganz dringend etwas getan werden.

So starrte sie weiter das leere Glas an und seufzte. Gerade war der Wurm drin, wie man auf Terra so schön sagte. Als sie am zweiten Tag ihren Computer hochfahren wollte, ging plötzlich im Hauptgebäude der ATLANTIS die Energie zurück. Ein Techniker musste die Leitungen neu konfigurieren, dann funktionierte es wieder. Dann wurde ein Streik in Abteilung 18-02 gemeldet. Eine der Monitordrohnen fiel kurz darauf aus und schien unrettbar kaputt zu sein. Einer der Hauptserver der Basis machte Mucken. Dann spielte der Hauptcomputer verrückt. Zuletzt meldete sich ein Techniker krank, der eigentlich den Hauptcomputer untersuchen sollte. 

ES REICHT JETZT!

Sie atmete tief durch. Natascha fühlte die Müdigkeit. Ruhig, sagte sie zu sich selbst, das ist nur ein negatives Cluster. Nicht verrückt machen lassen. Sie glaubte nicht an Schicksal oder sowas ähnliches. Und obwohl ihr bewusst war, dass diese "Pechsträhne" nur daran lag, dass ihr Gehirn nach einem Muster suchte, wo eigentlich keins war, fiel es ihr schwer, ihre Gedanken davon abzubringen. So funktionierten Menschen nun mal. Ja, genau genommen war sie kein normaler Mensch, sie war eine Aquarianerin, aber diese Spezies war aus den Menschen entstanden, also zählte das auch. Außerdem war sie äußerlich von einer Terranerin eigentlich nicht zu unterscheiden.

Es war kurz nach zehn Uhr Abends, als Commander Jung endlich ihr Quartier betrat. Sie sah den Schreibtisch mit dem Monitor und überlegte sich, ob sie wirklich die Nachrichten auf 5014R EXPRESS anschauen wollte. Hatte sie nicht schon genug Schlechtes diesen Tag gesehen und erlebt? 

In dem Moment wurden ihre Gedanken durch ein Rufsignal unterbrochen. "Commander, hier ist Peltzer, kann ich Sie kurz sprechen?", kam es über die interne Kommunikation der ATLANTIS.

"Hier Jung", antwortete Natascha, "wenn Sie jetzt nicht reden, werde ich mir die ganze Nacht Gedanken machen, was Sie mir sagen wollten und nicht schlafen können. Was gibt es denn?"

Sie war gefasst darauf, noch mehr schlechte Nachrichten zu bekommen. "Gute Nachrichten", sagte Peltzer aber stattdessen, "wir haben die Computerpanne beseitigt. Die Programme laufen wieder normal. Und wir haben eine Nachricht vom ASTROCOHORS Hauptquartier bekommen. Sie haben eine Mission ausgeschrieben, demnächst dürfte ein Raumschiff losfliegen zum Medoplaneten Inogili. Man rechnet damit, dass wir von dort in ungefähr drei Wochen ein Vakzin erhalten, das unsere Lage hier merklich entspannen dürfte."

Natascha grinste. Das waren in der Tat gute Nachrichten. Doch sofort übernahm ihr professionelles Selbst. "Klingt sehr gut", sagte sie, "aber noch keine Jubelfeiern. Inogili gehört zum Einflussbereich der Usovai'i, das gefällt mir nicht. Der gestürzte Prostat der Usovai'i sammelt seine Verbündeten, die könnten uns da noch einen Strich durch die Rechnung machen. Wissen wir, welches Schiff für die Mission vorgesehen ist?"

"Soweit ich das mitbekommen habe", antwortete Peltzer, "handelt es sich um die USS EUROPE. Ich werde nachfragen."

"Tun Sie das. Aber das hat Zeit bis morgen. Wir sollten alle etwas Ruhe finden."

"Wie Sie meinen, Commander. Dann bis morgen."

"Ja. Bis morgen."